Das Schulministerium des Landes NRW hat entschieden, dass der akute und gravierende Personalmangel an den Grundschulen in NRW für die nächsten beiden Schuljahre (2024 bis 2026) durch Lehrerinnen und Lehrer von Gymnasien abgefedert wird, die aktuell in einem (statistischen) personellen Überhang sind, die also mehr Lehrerstellen haben, als die Schülerzahlen es erfordern. Auf Grund dieser Entscheidung wurde ich von der Bezirksregierung angewiesen, im Gesamtumfang von drei vollen Lehrerstellen Kolleginnen und Kollegen zu benennen, die in den Schuljahren 2024/2025 und 2025/2026 an Grundschulen abgeordnet werden.
Um hier eine möglichst nachvollziehbare und sachliche Entscheidung zu treffen, habe ich einen Kriterienkatalog erstellt, den ich dem Lehrerrat und den Mitgliedern der Schulleitung mit der Möglichkeit der Rückmeldung vorgelegt habe. Ebenfalls habe ich ihn dem ganzen Kollegium im Vorfeld transparent gemacht. Nicht abgeordnet werden nach Möglichkeit Kolleginnen und Kollegen mit Funktionsstellen, Schwerbehinderte, Kolleginnen und Kollegen bis zu einer bestimmten Altersgrenze, Mangelfächer und Kolleginnen und Kollegen mit besonderen Aufgaben, die nicht ohne weiteres und mal eben so übertragbar sind.
Mir ist klar, dass diese Entscheidung die Kolleginnen und Kollegen, die abgeordnet werden, zunächst hart trifft. Dies vor dem Hintergrund ihrer je persönlichen Situation, aber auch angesichts der Tatsache, dass die Arbeit an Grundschulen mit der an einem Gymnasium nicht ohne weiteres vergleichbar ist. Insofern stehen die Kolleginnen und Kollegen zunächst vor der sehr großen Herausforderung, ihr Familienleben der neuen Situation anzupassen; hier muss viel neu oder umorganisiert werden. Angesichts der wahrscheinlich weiteren Fahrwege zum neuen Einsatzort und der noch ungewissen Situation dort ist das zunächst sicher auch eine psychische Belastung. Aber auch die andere pädagogische, didaktische und Erziehungsarbeit an Grundschulen wird die Kolleginnen und Kollegen zunächst vor die Herausforderung stellen, sich darauf einzustellen und einzulassen, aber auch, sich dann rasch in das „fremde“ System und Umfeld einzuarbeiten und dort seinen Platz zu finden.
Aber ich bin auch davon überzeugt, dass die Kolleginnen und Kollegen, die dann an den Grundschulen arbeiten, dieser Aufgabe gewachsen sind und dort eine gute und die Kollegien vor Ort unterstützende Arbeit machen werden.
Natürlich ist das auch eine Herausforderung für unsere Schule. Die Kolleginnen und Kollegen, die ab dem kommenden Schuljahr für zwei Jahre an die Grundschulen gehen, sind am ASG ja nicht „über“. Auch wenn wir statistisch im Überhang sind, haben wir in diesem Schuljahr den teilweisen oder kompletten Ausfall von 4 Kolleginnen und krankheitsbedingt die nur teilweise Einsatzfähigkeit weiterer Kollegen aufzufangen gehabt; ganz zu schweigen von dem großen Einsatz, den die Kolleginnen und Kollegen zusätzlich geleistet haben, um unsere Schule weiterzuentwickeln. Hier werden die Kolleginnen und Kollegen, die jetzt abgeordnet werden, schlichtweg fehlen – mit ihrer Arbeit, ihrem Engagement, ihren Ideen und vor allem auch als Mitglieder des Kollegiums. Und wir werden sehen müssen, wie wir die Lücken, die dadurch entstehen, gefüllt bekommen. Aber trotzdem wird, das als klares Signal, die Unterrichtsversorgung im kommenden Schuljahr gesichert sein.
Die Entscheidung, den Lehrkräftemangel an Grundschulen für zwei Jahre durch Abordnungen von Gymnasien „abzufedern“, hat die Landesregierung getroffen; die Bezirksregierung ist hier auch nur ausführendes Organ. Mir ist die Not der Grundschulen durchaus bewusst; und alle Eltern, die aktuell oder in den letzten Jahren Kinder an Grundschulen haben oder hatten, können „ein Lied davon singen“. Nicht nur, dass der Anteil an unbesetzten Stellen in Grundschulen deutlich höher ist als an anderen Schulformen; fehlende Lehrkräfte fallen dort wegen des „Betreuungsgebotes“ während des ganzen Schultages deutlich stärker ins Gewicht. Vor diesem Hintergrund ist für mich – nüchtern betrachtet – die Entscheidung auf rein statistischer Ebene nachvollziehbar. Inhaltlich halte ich sie mindestens für schwierig, weil sie alle Betroffenen – die abgebenden Gymnasien, die aufnehmenden Grundschulen und vor allem die abgeordneten Kolleginnen und Kollegen – vor enorme Herausforderungen und Probleme stellt. Insofern kann ich nur hoffen,
- dass es sich dabei um eine einmalige Aktion handelt,
- dass die Schulpolitik – wie angekündigt – die Grundschulen künftig so stärkt, dass die dort ja schon seit längerem vorhandene Personalnot endlich nachhaltig und sinnvoll behoben wird,
- dass die Gymnasien, die jetzt Kolleginnen und Kollegen abordnen müssen, alle Unterstützung – auch personelle – bekommen, um auch in schwierigen Phasen nicht nur die Unterrichtsversorgung, sondern auch die begonnene Schulentwicklung sicherzustellen und weiterzuführen,
- dass bei der Auswahl der Schulen, zu denen die Kollegen und Kolleginnen abgeordnet werden, auf deren persönliche Situation Rücksicht genommen wird, und
- dass die Kolleginnen und Kollegen, die abgeordnet werden, alle dafür notwendige Unterstützung auch durch die Bezirksregierung erhalten, um in den beiden kommenden Schuljahren vor Ort eine gute Arbeit machen zu können, in der sie sich mit ihrem Engagement und ihrem Selbstverständnis als Lehrer und Pädagogen an- und wahrgenommen fühlen.
Joachim Höck, Schulleiter